von Headi » Mo 19.10.2009, 08:39
Bericht von Heinz-Dieter Kuhlmann
Totaler Erfolg für Ostdeutschland im „Westen“
Jubelstimmung in den neuen Bundesländern, denn mit einem nie geglaubten fast optimalen Erfolg kehren sie aus dem äußersten Westen Deutschlands von der Deutschen Meisterschaft 2009 in Herzogenrath nahe der holländischen Grenze heim. Sie sorgten für teils faustdicke Überraschungen an den beiden Meisterschaftstagen. Im Radball Elite holten Michael Gerdes und Sven Broedel aus Zscherben/Sachsen-Anhalt den nie für möglich gehaltenen Titel. Auf dem Bronzeplatz kamen Rico Rademann und Tino Kebsch aus Ehrenberg/Thüringen ein. In der Radball-Aufstiegsrunde sicherte sich Leipzig/Sachsen mit Nils Dreyhaupt und Christian Kühn auf Platz 2 und Großkoschen/Brandenburg mit Tobias Kolba – Daniel Lehmann auf Rang 3 jeweils den Wiederaufstieg in die 1. Radball-Bundesliga. In der Meisterrunde Radpolo war kein Team aus dem Osten vertreten, jedoch in der Radpolo-Aufstiegsrunde holten Nadine Bläul und Yvonne Wiedmer zwar für Wiesbaden-Dotzheim den Wiederaufstieg mit Platz 1, jedoch ihre sportlichen Wurzeln liegen in Fürstenwalde/Brandenburg. Lediglich Reideburg II/Sachsen-Anhalt scheiterte auf Rang 4 mit der um 4 Tore schlechteren Tordifferenz punktgleich mit Hildesheim am Aufstieg.
Radball-Aufstiegsrunde:
Routine gegen Jugend – so war das Motto der BL-Aufstiegsrunde. Am Ende war die Jugend (Stein I und Obernfeld II) der Verlierer und es triumpfierte das „Mittelalter“. Jeder war überzeugt, der Junioren-EM 2008 Stein (Bernd und Gerhard Mlady) schafft den direkten Aufstieg aus der U 19 in die 1. Bundesliga, also stand das Team sofort im Blickpunkt. Aber an diesem Tage waren die Mladys dem Erwartungsdruck nicht gewachsen, man war gesundheitlich nicht ganz fit, aber daran hat es wahrlich nicht gelegen. Eine Aufstiegsrunde hat seine eigenen Gesetze und da waren Teams im Vorteil, die diese Mühle schon einmal durchgemacht haben. Allen voran Waldrems (Tim Lindner – Thorsten Schneider), die im Vorjahr „abstürzten“. Nach dem mehr taktischen Spiel gegen Oberneuland mit 2:2 begannen sie Punkt 9.00 Uhr gegen Stein ihr Spiel, als sie ab der 10. Spielminute aus einem 1:4-Rückstand noch einen 5:4-Sieg drehten. Da sich alle Konkurrenten schon gegenseitig Punkte abnahmen, war Waldrems nach dem 1. Block mit 6 Spielen bei 4 Punkten Tabellenführer. Diese Position verteidigten sie gegen Leipzig, als auch hier ein 1:3-Rückstand zum 4:3-Erfolg gewandelt wurde. Derweil bekam Stein I den vorentscheidenden Knacks mit der 3:6-Pleite gegen Oberneuland. Großkoschen folgte mit dem umkämpften 4:3-Erfolg über Obernfeld II, womit auch die zweite junge Mannschaft aus dem Rennen war.
Mit einer konzentrierten Leistung holte sich Leipzig gegen Stein den 2. Tagessieg und Oberneuland stieß die Aufstiegstür mit 4:1 über einen direkten Konkurrenten Großkoschen auf. Als erstes durfte Waldrems jubeln dank eines 7:4-Siegs über Obernfeld II, jedoch war zwischenzeitlich ein Schlendrian erkennbar, denn innerhalb von 150 Sekunden verkürzte Obernfeld II den Pausenrückstand von 0:5 auf 4:5. Als 2. Aufsteiger folgte Leipzig, das dank der besseren Kondition mit 4:0 Oberneuland niederkämpfte. Dadurch verpaßte Oberneuland im letzten Spiel der Laufbahn von Feldspieler Lars Hellberg den Matchball zum Aufstieg und war nun abhängig vom letzten Turnierspiel im Abendprogramm, bei dem Großkoschen mit einem Sieg über den bereits als Tagessieger feststehende Waldrems gewinnen mußte. Der Knackpunkt war hier, als Schneider 4 Minuten vor Schluß einen 4-Meter-Ball nicht zum 4:2 für Waldrems verwandeln konnte und Großkoschen mit diesem Aufwind aus dem 2:3 doch noch das erlösende 4:3 zum Aufstieg (nach 5 Jahren) für den Traditionsclub markieren konnte. Etwas enttäuscht war der scheidende Lars Hellberg dann am Ende doch: Dem Olaf hätte ich gern für seine weitere Radball-Zukunft mit dem Wiederaufstieg in die 1. Liga geholfen“.
Radball-Meisterrunde:
Mit dem Titelgewinn von Michael Gerdes und Sven Broedel aus Zscherben ist sicherlich die größte Überraschung im Radball „seit Menschengedenken“ passiert. Ein Aufsteiger wird gleich im 1. Jahr Deutscher Meister, das ist zwar im Fußball dem 1.FC Kaiserslautern gelungen, aber im Radball ist das ein Novum, selbst die früheren shooting-stars wie die Steinmeiers oder Kings erreichten „nur“ Platz 2. Schon vor dem Finalspiel unkte Betreuer und Vater Gerhard Gerdes:“ Heute ist alles möglich ! Diese Fläche in Herzogenrath liegt uns, denn genau vor 10 Jahren ist mein Sohn Michael mit Falko Müller hier Juniorenmeister vor Ginsheim geworden !“ Vielleicht wird nun Herzogenrath die Partnerstadt von Zscherben, denn im Finale wurde die Leistung der Meisterrunde von Zscherben noch getoppt. Gelernt aus dem Spiel des Vormittags (3:6 gegen Gärtringen) gingen Gerdes-Broedel selbstbewußt ins Match, hatten Glück bei einem Pfostenschuß von Uwe Berner, aber das 1:0 für Zscherben markierte Broedel flach unter dem Tretlager. Einen Freischlag aus 5 Metern und einen Eckball direkt durch Berner zum 2:1 schien das Spiel in die „richtigen Bahnen“ zu lenken. Fast mit dem Halbzeitpfiff schaffte erneut Sven Broedel im Nachsetzen den 2:2-Ausgleich. Gärtringen fühlte sich hier benachteiligt und begann zu reklamieren. Auch in der 2. Hälfte kam bei Gärtringen kein flüssiges Kombinationsspiel zustande, immer wieder durch Gerdes über die gesamte Spielfeldfläche verfolgt, Uwe Berner sah gelb wegen Kritik am Kommissär, das Spiel blieb remis. 70 Sekunden vor Schluß aus einem Eckball war wieder Broedel „gallig genug“, im Nachsetzen den Ball über die Linie zur 3:2-Führung zu drücken. Nun lief die Zeit für Gärtringen weg, man schoß zu früh und mit einem Konter schaffte Michael Gerdes 15 Sekunden später sogar das 4:2, Gärtringen konnte nur noch per Eckball zum 4:3 verkürzen.
Das Märchen vom Titel ist wahr geworden. Vater Gerdes: „Was mir als Spieler nicht vergönnt war, schafft jetzt der Michael, Wahnsinn!“ Unter dem Aspekt dieser echten Sensation sind die anderen Entscheidungen fast in Vergessenheit geraten. Nachdem der letzte noch verbliebene Konkurrent Ginsheim seine Chance, das Finalspiel zu erreichen, mit der 3:6-Niederlage gegen Zscherben verpaßt hatte, war am Sonnabend um 13.48 Uhr klar: Uwe Berner und Matthias König aus Gärtringen werden Deutschland bei der WM 2009 vertreten und Ginsheim reist mit als Ersatzmannschaft. Schon vor dem Finalspiel meinte Uwe Berner: „ Unser Ziel der gesamten Saison war auf die WM-Teilnahme gerichtet, daher war eben das Spiel gegen Ginsheim nicht mehr so wichtig, aber es wäre schön, mit dem Deutschen Meistertitel nach Portugal zu fahren, das stärkt unser Selbstvertrauen“ Daraus wurde also nichts und auch Ginsheim fährt mit einer „gefühlten Niederlage“ nach Tavira, denn im Spiel um Platz 3 scheiterten sie im 4-Meter-Schießen um Bronze an Ehrenberg. Auch hier gilt es Abschied zu nehmen von einem Kämpfer par excellance Tino Kebsch, der aus beruflichen und familiären Gründen die 4-jährige Partnerschaft mit Rico Rademann beendet. Sein Kommentar nach dem Schlußpfiff: „ 2 x Silber, 1 x Platz 4 und jetzt zum Abschluß nochmals Bronze, 4 tolle Jahre für Ehrenberg. Dieser 3. Platz ist für mich besonders wertvoll, denn gerade im letzten halben Jahr war ich mental und menschlich sehr unter Druck. Dem Radball bleibe ich treu und „-gerichtet an den daneben stehenden Junioren-Bundestrainer Michael Lomuscio: „Mein Sohn ist jetzt 6 Jahre alt, mit meinem Training wird er in 10 Jahren bei Dir im C-Kader sein !!“ Für Ginsheim bleibt der Trost, zum 2. Male als Reservemannschaft zur einer WM zu fahren und sich nach einjähriger Unterbrechung wieder für den World-Cup qualifiziert zu haben. Obernfeld I hat es in jedem Spiel dem Gegner schwer gemacht und mit dem remis gegen Ehrenberg den Thüringern schließlich das Finalspiel verwehrt. Für Raphael Kopp mit der Doppelbelastung ohnehin ein respektabeler Auftritt. Auch der Bundestrainer Jürgen King war im Fazit von der Leistung von Zscherben angetan. Im Hinblick auf seine WM-Mannschaft Gärtringen äußerte er:“ Über die gesamte Saison war Gärtringen die dominierende Mannschaft, erst mit Platz 3 beim Final-Five in Öflingen kam den Spielern plötzlich zu vor Augen, die WM kann ja doch noch kippen. Schon war das Spiel verkrampft und das war hier bei der Deutschen klar sichtbar. Gärtringen kann mehr und das müssen wir jetzt beim WM-Lehrgang und beim 3-Nationen-Länderkampf in Lustenau abstellen. Auch mit der Disziplin auf dem Spielfeld bin ich nicht zufrieden. Bei einer WM identifizieren sich die deutschen Zuschauer mit „ihrer“ Mannschaft Gärtringen und die hat sich auch in Niederlagen so sportlich zu verhalten, daß nicht meterweit die Räder fliegen.“